Neustes aus der Ortenau
In Haslach ist es gängige Praxis, dass der Gemeinderat viele Dinge nichtöffentlich bespricht. Doch ist das überhaupt legal? Wir sagen nein!
Deshalb haben wir einen Brief an Bürgermeister Philipp Saar verfasst, in dem wir Beschwerde gegen diese Praxis einlegen und eine Überprüfung der Vorgehensweise fordern.
Der Auslöser für unseren Brief war eine Frage, die unser LiLO-Sprecher während der öffentlichen Gemeinderatssitzung am 20. Juni 2023 gestellt hat. Er erkundigte sich nach der Anzahl der Bewerber für eine frei gewordene Wohnung gegenüber der Shell Tankstelle. Zu unserer Verwunderung antwortete der Bürgermeister, dass dieses Thema bereits in einer nichtöffentlichen Sitzung behandelt worden sei und er daher keine Auskunft geben könne.
Wir sagen, es ist ein Unding, dass der Gemeinderat so viele Themen hinter verschlossenen Türen bespricht und sogar beschließt. Dies steht im klaren Widerspruch zu den demokratischen Grundsätzen und der Transparenz in politischen Entscheidungsprozessen. Denn wie können so die Bürgerinnen und Bürger die Gemeinderäte kontrollieren und wissen, ob kein Gemauschel oder Vetternwirtschaft hinter den Türen passiert?
Darüber hinaus äußern wir unser Unverständnis darüber, dass die Bewerberzahl für die Wohnungsvergabe ausschließlich in nichtöffentlicher Sitzung behandelt wurde und nun sogar der nachträglichen Geheimhaltung unterliegt. §35 Abs. 1 Satz 2 legt fest, dass Sitzungen nur dann nichtöffentlich sein dürfen, wenn sie das öffentliche Wohl beeinträchtigen. Nach unserer Ansicht waren in diesem konkreten Fall keinerlei solche Gründe erkennbar, die eine Nichtveröffentlichung der Bewerberzahl rechtfertigen würden.
Wir fordern daher den Bürgermeister auf, die Praxis der nichtöffentlichen Sitzungen des Haslacher Gemeinderats zu überdenken und umgehend die Bewerberzahlen für die Wohnung offenzulegen. Als Linke Liste Ortenau setzen wir uns aktiv für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung in der Kommunalpolitik ein. Wir werden weiterhin wachsam bleiben und uns für offene und demokratische Entscheidungsprozesse auf lokaler Ebene einsetzen. Macht bei uns mit und unterstützt uns dabei!
Hier könnt ihr unseren Brief an den Bürgermeister nachlesen:
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister Saar,
in der Gemeinderatssitzung vom 20.06.2023 habe ich in der öffentlichen Sitzung unter Punkt 1 Anfragen der Bürger und Bürgerinnen folgende Frage an Sie gestellt:
Wie viele Menschen haben sich auf die frei gewordene Wohnung gegenüber der Shell Tankstelle beworben?
Sie antworteten mir, dass dieses Thema bereits in einer nichtöffentlichen Sitzung diskutiert wurde und Sie mir das deshalb nicht beantworten könnten. Hiergegen möchte ich Beschwerde/Einspruch einlegen.
- Möchte ich die Praxis des Haslacher Gemeinderats, alles in nichtöffentlicher Sitzung vorzubereiten und zu diskutieren, monieren. Dies steht ganz klar im Widerspruch zu §35 GemO Absatz 1!
- Erschließt es sich mir absolut nicht, warum die Bewerberzahl lediglich in nichtöffentlicher Sitzung besprochen werden sollte und dann auch noch der nachträglichen Geheimhaltung unterliegt.
Denn so sagt der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil 13.09.2018 – 3 S 1465/18:
„Eine nichtöffentliche Verhandlung ist nach § 35 Abs. 1 Satz 2 nur zulässig wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. Das öffentliche Wohl erfordert den Ausschluss der Öffentlichkeit, wenn Interessen des Bundes, des Landes, der Gemeinde, anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder der örtlichen Gemeinschaft durch eine öffentliche Sitzung mit Wahrscheinlichkeit wesentlich verletzt werden könnten (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.8.1990, 3 S 132/90.; Urt. v. 18.6.1980, III 503/79).“
Ein solcher Fall besteht hier offensichtlich nicht. Denn beim besten Willen ist mir nicht klar, dass es dem öffentlichen Wohl dienen soll, wenn diese Zahlen nicht öffentlich gemacht werden. Dem einzigen Wohl, dem es dienen könnte, wäre den Menschen, die auf der grünen Wiese lieber Einfamilienhäuser statt sozialen und somit bezahlbaren Wohnraum für alle bauen wollen.
Ich zitiere deshalb auch noch einmal den VGH Baden-Württemberg, dieses Mal mit seinem Urteil vom 23.07.2020 – 5 S 824/18:
„Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er ist im demokratischen Rechtsstaat eines der wichtigsten Mittel, das Interesse der Bürgerschaft an der Selbstverwaltung zu wecken und zu erhalten. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie die Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen; es soll so bereits der Anschein vermieden werden, dass „hinter verschlossenen Türen“ unsachliche Motive für die Entscheidung maßgebend gewesen seien.“
Ich fordere Sie deshalb auf, die Praxis der nichtöffentlichen Sitzungen des Haslacher Gemeinderats zu überdenken und mir die Bewerberzahlen umgehend nachzureichen.
Im Übrigen lohnt es sich, das Urteil 5 S 824/18 ganz durchzulesen in Bezug auf die Neufassung der Altstadtsatzung und der nichtöffentlichen Begehung des Gemeinderats.“