Rede zur Neustrukturierung des Agenda2030-Prozesses

Liste Lebenswerte Ortenau - LiLO, Rede zur Neustrukturierung des Agenda2030-Prozesses.

Unsere Fraktion hatte für die Kreistagssitzung am Dienstag den 24.09.2024 den Antrag (hier) zur Neustrukturierung des Agenda2030 Prozesses eingereicht. Nachdem Landrat Scherer diesen erst nicht zu Sitzung zulassen wollte, hat er sie nach Androhung einer Klage vor dem Verwaltungsgericht schließlich doch noch zugelassen. Hier könnt ihr die Rede unserer Fraktionsvorsitzenden in voller Länge nachlesen:

Sehr geehrter Herr Landrat Scherer, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist nun 7 Jahre her, seit der Agenda2030 Prozess startete. Er setzte ein, kurz nachdem Herr Keller ans Ortenau Klinikum wechselte und 3 Jahre nach einem Gutachten, in dem uns erzählt wurde, die Kliniken seien sicher. Seitdem wurde viel versprochen und einige dieser Versprechen zu unsrem großen Bedauern nicht eingehalten. Zum Beispiel hieß es, dass die kleinen Krankenhäuser bis zum Jahr 2030 noch erhalten blieben, dass wir 2 maximalversorgende Häuser im Ortenaukreis bekommen würden, obwohl wir diese nicht brauchen oder z.B. dass Gesundheitslotsinnen vor allem den älteren Menschen an den MVZ Standorten künftig zur Verfügung ständen. Und noch vieles Weitere.

Nun erwartet uns ein Personalwechsel. Herr Keller fühlt sich zu anderen Betätigungsfeldern hingezogen und auch Herr Scherer beendet seine Amtszeit als Landrat. Für uns als Kreisräte ist das die Chance nochmal inne zu halten, um über die letzten Jahre zu reflektieren.

Versprochen wurde uns, dass das Klinikdefizit sich verringern würde. Stattdessen ist es explodiert. Versprochen wurde uns auch, dass die Qualität der Versorgung sich verbessern würde. Aktuell steigen die Wartezeiten für Termine und man wird wie am Fließband abgefertigt.

Angesichts der aktuellen Haushaltslage, angesichts der vergangenen Corona-Jahre und angesichts zahlreicher Klagen im Gesundheitswesen, müssen wir jetzt noch einmal grundsätzlich über die Stoßrichtung der Agenda2030 diskutieren. Bis heute wissen wir nicht, welche stationäre Versorgungsangebote wir noch 2030 haben werden. Wie auch? Dem Kreistag wurde nie eine Bedarfsanalyse vorgelegt, obwohl diese verpflichtend vom Land durchgeführt werden muss. Es ist uns als LiLO schleierhaft, wie man ohne den Bedarf zu kennen, solche großen Reformen verabschiedet. Jeder Unternehmer macht vor Einführung eines Produkts erst einmal eine Marktanalyse. Doch im Ortenaukreis baut man wild drauf los. Es wird dann schon irgendwie passen.

Es ist laut §3 des Landeskrankenhausgesetzes die Pflicht des Landkreises die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern nach dem Krankenhausplan zu betreiben. Doch wie können wir den Bedarf kennen, wenn wir ihn nie erfasst haben? Aktuell sammelt das Land den Bedarf anhand der Belegungszahlen der Planbetten. Doch spiegelt das wirklich den Bedarf wieder?

Wir sagen nein, denn wenn Betten gesperrt werden, weil mal wieder Personal fehlt, dann heißt das nicht, dass der Bedarf dafür nicht da wäre.

Es geht bei unserem Antrag nicht darum die Neubauten im Allgemeinen zu verhindern. Die Kliniken oder Abteilungen neu zu bauen kann durchaus Sinn ergeben. Der OP in Offenburg hat es gezeigt, dass dringend was getan werden muss. Doch welche Abteilungen brauchen wir am Ende in Offenburg, Lahr und Achern? Und wie können wir die stationäre Basisnotfall- und Grundversorgung in Kehl und Wolfach erhalten? Darum geht es uns. Die Versorgungssicherheit der Bevölkerung muss an vorderster Stelle stehen. Aktuell sehen wir aber durch die Reform und die Kostenexplosion die Versorgungssicherheit gefährdet.

Deshalb müssen wir als Kreis vom Land fordern, eine Bedarfsanalyse zu erstellen. Vor allem dann, wenn das Land von uns möchte, dass wir Krankenhäuser schließen. Aber auch mit den Neubauten und der Änderung der Bettenanzahl im Landesbettenplan, ist eine Bedarfsanalyse essentiell.

Für uns als LiLO ist klar, dass die Gesundheitsversorgung in staatliche Hand gehört. Dazu gehört auch der ambulante Sektor. Deshalb ist es natürlich gut, wenn der Kreis hier tätig wird mit seinen MVZs. Doch die stationäre Grundversorgung darf deshalb nicht zurückgezogen werden. Es ist mittlerweile nicht mal mehr von einer Portalfunktion, wie der Landrat das mal versprochen hat, die Rede.

Land, Bund und die Krankenkassen müssten die Gesundheitsversorgung laut Gesetz finanzieren. Der Kreis ist dafür nicht zuständig. Deshalb müssen wir uns endlich das benötigte Geld besorgen. Es kann nicht sein, dass wir nur 50-60% der Investitionskosten erhalten und mit unserem sowieso schon defizitären Haushalt den Rest finanzieren sollen. Die Beschwerden häufen sich! Der Herr Landrat hat sogar gefordert, dass die Bevölkerung auf die Straße geht. An dieser Stelle möchten wir ihm nochmals anbieten, gerne gemeinsam eine Versammlung zu organisieren.

Aber wir denken, nur beschweren, das reicht nicht. Wir müssen endlich aktiv werden. Nicht nur durch Versammlungen auf der Straße und durch Druck auf die Parteien und Politiker, sondern auch über die Mittel und Wege unseres Rechtsstaates. Es muss in diesem möglich sein zu klagen, wenn der Staat sich nicht an seine eigenen Gesetze hält. Das macht einen gut funktionierenden Rechtsstaat aus, so dass Unrecht letztlich juristisch abgewehrt werden kann.

Und meine lieben Kolleginnen und Kollegen es ist Unrecht, wenn wir ständig das bezahlen sollen, was Land und Bund bestellen. Es ist Unrecht, wenn wir unserer Bevölkerung immer weiter die Leistungen streichen müssen, aber die Beiträge steigen. Sei es im Nahverkehr oder im Sozialwesen. Sei es, wenn wir die Kreisumlage erhöhen und somit die Existenz der Schwimmbäder oder Kindergärten in den Kommunen bedrohen.

Deshalb stellen wir heute den Antrag, dass dieses Unrecht endlich juristisch bekämpft wird. Lassen Sie uns endlich den Leuchtturm sein, den man uns ständig anpreist. Zeigen wir, was kommunale Selbstverwaltung wirklich bedeutet. Deshalb lassen Sie uns endlich die Investitionskosten vom Land gemeinsam einklagen.

Doch das ist nicht genug. Denn die Agenda2030 hat sehr viel Vertrauen bei der Bevölkerung verspielt. Wie ich bereits erwähnte, wurde viel versprochen und vieles nicht gehalten. Jetzt hier den Großteil der Entscheidungen über die lebenswichtige Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nur noch hinter verschlossenen Türen zu regeln ist katastrophal. Es stärkt in keinster Weise das Vertrauen in die Demokratie. Gerade aber in diesen Zeiten bräuchten wir dieses Vertrauen.

Dieser Prozess betrifft die gesamte Bevölkerung des Ortenaukreises. Deshalb hat sie auch ein Recht diesen Prozess offen zu begleiten. Auch muss eine Beteiligung dahingehend erfolgen, welche Art von Gesundheitsversorgung gewünscht ist. Es geht nicht, dass nur ein paar Kreisräte dies im Hinterzimmer beschließen. Deshalb müssen wir dringend die Öffentlichkeit bei den Sitzungen wiederherstellen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie sich heute von den ideologischen Fesseln zu lösen. Es geht hier nicht darum das Projekt über den Haufen zu werfen! Das ist nicht unser Ansinnen. Es geht auch nicht darum, dass die Lilo hier gerne Opposition spielt oder quertreiben möchte. Es geht darum die beste Datenbasis zu erhalten, die Finanzierung zu sichern und die Demokratie zu stärken. Zum Wohle der Ortenau!

Dankeschön für Ihre Aufmerksamkeit!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert